Die Winterfahrt der Pfadfinder des Stamms Weiße Rose
… auf dass sie uns’ren Kopfe schütze.
Gefühle spiegeln sich in der Mimik eines Menschen wieder. Und Mimik, so heißt es, soll zumindest unter Europäern, Nordamerikanern und Afrikanern so etwas eine universelle Sprache darstellen. Zum Glück zeichnen sich akute Gefühle aber meist nur eine kurze Zeit in unseren Gesichtern wieder. Wäre das anders, würde ich wohl 90 % meiner Wachphasen das Gesicht des Hungers zur Schau tragen – die anderen 10 % der Zeit teilten sich wohl unter völlereibedingter Übelkeit und fresskomatöser Abwesenheit auf. Und im Augenblick unserer Ankunft im „Alten Haus“ in Potsdam, wäre meine untere Kinnlade vermutlich auf eine Weise ausgehakt gewesen, die die meisten Schlangen vor Neid erblassen ließe und mich zur Vorsicht nötigen würde, nicht auf meine eigene Zunge zu treten. Von der Arbeit direkt zur Gemeinde zu fahren und von dort aus vor allem die Wilden Wölfe nach Potsdam zu eskortieren, führt bei mir vorlesungsfreierzeitbedingtem, vorzeitigem Schluss der Mensatore zu einem Äquivalent der Durststrecke bezüglich fester Nahrungsmittel. Ich hätte mir wohl morgens einfach ein paar Stullen schmieren sollen.
Da die Zubereitung der warmen Abendmahlzeit gerade erst ins Rollen kommt, wird kurzer Hand beschlossen, eine Notfall-Brotzeit einzuschieben. Ich bin nämlich nicht der einzige, der von Hunger heimgesucht wird. Natürlich sehe ich die Gefahr, dass unsere Jüngeren dann zur warmen Mahlzeit nicht mehr allzu hungrig sein werden. Aber die Rettung vor dem Verhungern hat definitiv Vorrang. Das jemand später weniger von der Hauptmahlzeit isst, weil er dann schon satt ist, liegt in jedermanns und jederfraus Eigenverantwortung. Man muss sich ja jetzt nicht bis zur Oberkante Unterlippe mit Brot und Aufschnitt füllen. Aber ich sehe natürlich auch die Chance, dass dann später für die dann noch oder wieder hungrigen mehr übrig bleibt. „Anscheinend muss es bei mir früher einen harten Kampf ums Essen gegeben haben.“, denke ich anlässlich dieser Gedanken bei mir. „Verloren habe ich den dann aber nie.“
Das soll es dann aber auch mit der Periphrase gewesen sein. Kommen wir zum eigentlichen Inhalt der Winterfahrt. Am Freitag hielten wir unsere Stammesversammlung ab. An dieser Stelle möchte ich daher meinen Dank für die Planung von Winterfahrt und Stammesversammlung an Svenja aussprechen. Das bedeutendste dieser Versammlung für mich persönlich, war die Wahl zur Stammesleitung. Ich habe mich über all die Zustimmung gefreut. Besonders wertschätze ich aber die erhaltene Gegen-Stimme, da sie mir zeigt, für wie wichtig mein bisheriges Mitwirken auf Landesebene erachtet wird. Für die anderen waren die Dankesgeschenke der scheidenden Stammesleitung mit Sicherheit ein ebenso großartiges Highlight. Tassen mit Logo und Namen und dazu Schokolade. Man lässt sich ja nicht lumpen. Die ehrenamtliche Mitarbeit ist schließlich das Fundament, auf dem all die tolle Arbeit und all die prägenden Ereignisse fußen.
Am nächsten Tag machten wir uns dann nach dem Frühstück auf in Richtung Biosphäre Potsdam. Unterwegs trafen wir aber auf einen wilden Rutschenturm, den es zu erklimmen galt, und auf Bodenlöcher mit Trampolinen, die zu überspringen waren. Ich schlitterte an meinem ersten Amtstag also Hals-über-Kopf auf Augen-zu-und-durch gleich in mein erstes Abenteuer. Dabei trug ich eine Art Turban, was ja wohl auch als Mütze gezählt werden kann. Und ich hatte auch allen Grund, mich so überstützt in die dunkle, abschüssige Röhre zu werfen: Wupe, der zweimündige T-Rex war mir auf den Versen. Gleichfalls querte viele weitere mutige Maiden und Recken die tiefschwarzen Wurmlöcher aus Stahl. Dem geschulten Beobachter wird aufgefallen sein, dass nicht jede eine Mütze getragen hat und dass Mützen auch mal wandern, von einem Kopf zum ander’n.
Ob die Besitzer des jeweiligen Kopfes davon aber immer stark begeistert waren, ist bei einem Blick nach rechts zumindest fragwürdig. Der Blick nach links hingegen zeigt uns einen geübten Schluchtenspringer, der sich noch nicht ganz sicher ist, ob er das Netzt zu einen Füßen brauchen wird oder nicht. An die Abenteuer mit Rutschen und Trampolinen schloss sich eine Schnipseljagd durch den Schlossgarten von Sanssouci an. Ganz unter dem Motto:
Und nein, es wurden nicht die Buchstaben s und z in den Worten Rätzel und Schnipseljagd vertauscht. Das hat alles seine Berechtigung:
Waldläuferzeichen wiesen uns den Weg und das Lösen von Rätsel halfen uns dabei, uns an Kreuzungen für den richtigen Abzweig zu entscheiden. Dabei kann ein kleiner Strich an einem Waldläuferzeichen deren Aussage völlig verändern oder komplett ins Gegenteil verkehren. Der ungeplante Extrasucheinsatz verschaffte den Schnipsel- und Rätselplatzierern letztlich aber genau das bisschen an zusätzlichem Vorsprung, den sie benötigten. Eben solches tat auch das „Hua“-Spiel im trockengelegten Schlossbrunnen. Damit man uns dabei nicht gleich erkennt und Parkverbot erteilt, trugen wir natürlich Mützen!
Handys und Lautsprecher brauchen Pfadfinder übrigens fast nie. Mitgeführte Klampfen ermöglichen es uns zu meist professionelle Arien-on-the-go zum besten zu geben. Und auch ohne Gitarrenspiel überzeugen unsere Solist*innen. Danach fielen wir wieder im „Alten Haus“ ein und machten uns über eine weitere warme Mahlzeit her. Vor dem Schlafen gehen wurde dann noch ein wenig Verstecken, Montagsmaler und Galgenmenschchen gespielt.
Am Sonntag fanden wir uns vor der Abfahrt zurück nach Berlin noch einmal im Schlosspark ein. Wir wollten die Wiesen nutzen, um unserem Bewegungsdrang nachzukommen. Einer älteren Dame missfiel das aber. Der von uns erkorene Acker – eine Wiese kann man das nicht nennen – sei laut der Regeltafel am Eingang nicht zu betreten. Nur gucken, nicht anfassen. Für uns natürlich nichts woran wir uns halten wollen und so verzogen wir uns hinter die Büsche um ein paar Runden Bulldog zu spielen. Mützen brauchten wir nicht mehr, …
… denn es WAR kalt, …
… denn ist WAR kalt.
Und zum Schluss muss natürlich aufgeräumt werden und alles dahin, wo es her kam. Und wenn man auf dem Weg noch etwas findet, was da nicht hingehört, nimmt man das am besten auch noch mit. Jeden Tag eine gute Tat!